Requiem für Benedikt XVI. im Augsburger Dom

Durch vorgelesene Texte kam Benedikt XVI. gewissermaßen noch einmal selbst zu Wort

„Es sind vor allem Benedikts Worte, die bleiben und seinem Wirken einen Stempel aufdrücken, dessen Prägekraft lange wirken wird", sagte Bischof Bertram im Requiem für den verstorbenen emeritierten Papst Benedikt XVI. im Augsburger Dom. "Sein besonderes Augenmerk galt zwei großen Themenfeldern: dem Verhältnis von Glaube und Vernunft sowie der Beziehung zwischen Kirche und Welt.“ Im Mittelpunkt standen dabei vor allem das theologische Vermächtnis Benedikts. Verschiedene Sprecher lasen Texte Benedikts aus den Themenfeldern Ökologie, Ehe und Familie, Jugend, Alter, Ökumene sowie Berufung zum Priestertum und zum Ordensleben vor. Bischof Bertram, der die Texte selbst ausgewählt hat, sagte: „So wird Benedikt XVI. uns bei diesem Gottesdienst selbst die Predigt halten.“

Ökologie

Das Verhältnis zwischen Gott und Welt ist die Beziehung zwischen Schöpfer und Geschöpf. Deshalb lag Papst Benedikt besonders die Bewahrung der Schöpfung am Herzen. In seiner Enzyklika „Caritas in veritate“ aus dem Jahr 2009 schrieb er:

„Es gibt Platz für alle auf dieser unserer Erde: Auf ihr soll die ganze Menschheitsfamilie die notwendigen Ressourcen finden, um mit Hilfe der Natur selbst, dem Geschenk Gottes an seine Kinder, und mit dem Einsatz ihrer Arbeit und ihrer Erfindungsgabe würdig zu leben. Wir müssen jedoch auf die sehr ernste Verpflichtung hinweisen, die Erde den neuen Generationen in einem Zustand zu übergeben, dass auch sie würdig auf ihr leben und sie weiter kultivieren können. Das schließt ein, es sich zur Pflicht zu machen, nach verantwortungsbewusster Abwägung gemeinsam zu entscheiden, welcher Weg einzuschlagen ist, mit dem Ziel, jenen Bund zwischen Menschen und Umwelt zu stärken, der ein Spiegel der Schöpferliebe Gottes sein soll – des Gottes, in dem wir unseren Ursprung haben und zu dem wir unterwegs sind“. 

Ehe und Familie

Ehe und Familie werden von der Kirche seit jeher besonders geschätzt und gefördert. In zahlreichen Begegnungen mit Ehepaaren und Familien hat sich der Heilige Vater dieses Anliegen zu Eigen gemacht. Hören wir aus der Predigt, die er am 3. Juni 2012 während des Weltfamilientreffens in Mailand gehalten hat:

„Nicht nur die Kirche ist berufen, ein Bild des einen Gottes in drei Personen zu sein, sondern auch die auf die Ehe von Mann und Frau gegründete Familie. Denn ‚Gott schuf ... den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie. Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar, und vermehrt euch’ (Gen 1,27f). Gott hat den Menschen als Mann und Frau geschaffen, mit gleicher Würde, aber auch mit besonderen und sich ergänzenden Eigenschaften, weil die beiden einander ein Geschenk sein, sich gegenseitig aufwerten und eine Gemeinschaft der Liebe und des Lebens verwirklichen sollten. Die Liebe ist das, was den Menschen zum echten Abbild der Dreifaltigkeit, zum Abbild Gottes macht. Liebe Eheleute, indem ihr die Ehe lebt, schenkt ihr euch nicht irgendeine Sache oder irgendeine Tätigkeit, sondern das ganze Leben. 

Ein Wort möchte ich auch den Gläubigen widmen, die zwar die Lehre der Kirche über die Familie teilen, jedoch von schmerzlichen Erfahrungen des Scheiterns und der Trennung gezeichnet sind. Ihr sollt wissen, dass der Papst und die Kirche euch in eurer Not unterstützen. Ich ermutige euch, mit euren Gemeinden verbunden zu bleiben, und wünsche mir zugleich, dass die Diözesen geeignete Initiativen ergreifen, um euch aufzunehmen und Nähe zu vermitteln.“

Jugend

Am 24. September 2011 hat der Papst anlässlich einer Gebetsvigil mit Jugendlichen in Freiburg im Breisgau über die Heiligkeit gesprochen, die aus der Freundschaft mit Christus hervorgeht. Hören wir in die Predigt hinein:

„Liebe junge Freunde!

Ich habe mich den ganzen Tag gefreut, hier mit euch zusammen zu sein und Gemeinschaft im Gebet mit euch zu haben. Einige von euch werden schon beim Weltjugendtag dabei gewesen sein, wo wir die besondere Atmosphäre der Ruhe, der tiefen Gemeinschaft und der inneren Freude erleben durften, die über einer abendlichen Gebetsvigil liegt. Diese Erfahrung wünsche ich uns allen auch für diesen Moment: dass der Herr uns anrührt und zu frohen Zeugen macht, die miteinander beten und füreinander einstehen, nicht nur heute Abend, sondern unser ganzes Leben.

‚Ich bin das Licht der Welt – Ihr seid das Licht der Welt’, sagt der Herr. Es ist geheimnisvoll und großartig, dass Jesus von sich selbst und von uns allen zusammen das gleiche sagt, nämlich ‚Licht zu sein’. 

Liebe Freunde, der heilige Apostel Paulus scheut sich nicht, in vielen seiner Briefe seine Zeitgenossen, die Mitglieder der Ortsgemeinden, ‚Heilige’ zu nennen. Hier wird deutlich, dass jeder Getaufte – noch ehe er gute Werke tun kann – geheiligt ist von Gott. In der Taufe entzündet der Herr gleichsam ein Licht in unserem Leben, das der Katechismus die heiligmachende Gnade nennt. Wer dieses Licht bewahrt, wer in der Gnade lebt, der ist heilig. 

Ihr seid Christen – nicht weil ihr Besonders und Herausragendes tut, sondern weil Er, Christus, euer, unser Leben ist. Ihr seid heilig, wir sind heilig, wenn wir seine Gnade in uns wirken lassen.“ 

Berufung zum Priestertum und zum Ordensleben

Begegnungen mit Priestern, Seminaristen und Ordensleuten waren fester Bestandteil der Pastoralreisen, die Papst Benedikt unternahm. Was er am 9. September 2007 in der Stiftskirche des Zisterzienserklosters Heiligenkreuz sagte, ist auch hier und heute gültig:

„In seiner Regel ordnet Benedikt kurz und bündig an, ‚dass dem Gottesdienst nichts vorgezogen werden soll.’ In einem Kloster benediktinischer Prägung hat daher das Gotteslob, das die Mönche als feierliches Chorgebet halten, immer den Vorrang. Gewiss – und Gott sei Dank!-, die Mönche sind nicht die einzigen, die beten; auch andere Menschen beten: Kinder, Jugendliche und alte Menschen, Männer und Frauen, Verheiratete und Alleinstehende – jeder Christ betet, oder er sollte es zumindest tun.

Nicht nur die Mönche beten das Officium, sondern die Kirche hat für alle Ordensleute, aber auch für die Priester und Diakone aus der Mönchstradition das Breviergebet abgeleitet. 

Die Seele des Gebetes ist der Heilige Geist. Immer, wenn wir beten, ist in Wirklichkeit er es, der „sich unserer Schwachheit annimmt, der für uns eintritt mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können“ (vgl. Röm 8,26). Im Vertrauen auf dieses Wort des Apostels Paulus versichere ich Euch, liebe Brüder und Schwestern, dass das Gebet in Euch jene Wirkung hervorbringen wird, die man früher ausgedrückt hat, indem man Priester und Gottgeweihte schlicht und einfach „Geistliche“ genannt hat. Bischof Sailer von Regensburg hat einmal gesagt, die Priester müssten vor allem geistlich-Geistliche sein. Ich fände es schön, wenn der Ausdruck ‚Geistliche’ wieder vermehrt in Gebrauch käme. Wichtig aber ist vor allem, dass sich jene Wirklichkeit an uns ereignet, die das Wort beschreibt: dass wir in der Nachfolge des Herrn durch die Kraft des Geistes zu ‚geistlichen’ Menschen werden.“

Ökumene

Die Einheit der Christen zählt zu den besonderen Anliegen von Papst Benedikt. Seine ökumenische Grundausrichtung durchzog wie ein roter Faden sowohl sein theologisches Schaffen als auch seinen Hirtendienst. Unvergesslich sind die Worte, die der Heilige Vater im September 2011 in Erfurt und in Freiburg zur Ökumene fand:

„Die Geschichte der Christenheit ist sozusagen die sichtbare Seite dieses Dramas, in dem Christus mit uns Menschen ringt und leidet. Immer wieder muss er den Widerspruch zur Einheit erdulden, und doch auch immer wieder vollzieht sich Einheit mit ihm und so mit dem dreieinigen Gott. Wir müssen beides sehen: Die Sünde des Menschen, der sich Gott versagt und sich in sein Eigenes zurückzieht, aber auch die Siege Gottes, der die Kirche erhält durch ihre Schwachheit hindurch und immer neu Menschen in sich hineinzieht und so zueinander führt. Deshalb sollten wir bei einer ökumenischen Begegnung nicht nur die Trennungen und Spaltungen beklagen, sondern Gott für alles danken, was er uns an Einheit erhalten hat und immer neu schenkt.“

"Ebenso wichtig bleibt die Weiterarbeit an der Klärung theologischer Differenzen, weil deren Überwindung für die Wiederherstellung der vollen Einheit, die wir erhoffen und u die wir beten, unerlässlich ist. Wir wissen, dass es vor allem die Primatsfrage ist, um deren rechtes Verständnis wir weiter geduldig und demütig ringen müssen. Ich denke, dabei können uns die Gedanken zur Unterscheidung zwischen Wesen und Form der Ausübung des Primates […] weiterhin fruchtbare Anstöße geben.“

Vom Segen des Alters

Immer wieder setzte sich Papst Benedikt für die Wertschätzung alter und betagter Menschen ein. So besuchte er am 12. November 2012 in Rom ein Seniorenheim, das von der Gemeinschaft „Sant’Egidio“ geführt wird. Wörtlich sagte der Papst:

„Ich komme als Bischof von Rom zu euch, aber auch als alter Mensch auf Besuch bei seinen Altersgenossen. Es ist überflüssig zu sagen, dass ich die Schwierigkeiten, die Probleme und die Grenzen dieses Alters gut kenne.

Zu leben ist schön, auch in unserem Alter, trotz einiger Gebrechen und Einschränkungen. In unserem Gesicht möge stets die Freude sein, uns von Gott geliebt zu fühlen, und nicht die Traurigkeit. In der Bibel wird Langlebigkeit als Segen Gottes betrachtet. Heute ist dieser Segen weit verbreitet und muss als Geschenk gesehen werden, dem man Wertschätzung und Hochachtung entgegenbringen soll. Oft nimmt die Gesellschaft, die von der Logik der Leistungsfähigkeit und des Profits beherrscht ist, es jedoch nicht als solches an; oft lehnt sie es sogar ab und betrachtet die alten Menschen als unproduktiv und unnütz. 

Die Qualität einer Gesellschaft beurteilt sich auch danach, wie die alten Menschen behandelt werden und welcher Platz ihnen im gemeinsamen Leben vorbehalten ist. Wer den alten Menschen Raum gibt, gibt dem Leben Raum! Wer die alten Menschen annimmt, nimmt das Leben an!

Es kann kein wahres menschliches Wachstum und keine Erziehung geben ohne fruchtbringenden Kontakt mit alten Menschen, denn allein ihre Existenz ist gleichsam ein offenes Buch, in dem die jungen Generationen wertvolle Hinweise für den Lebensweg finden können. Ich möchte heute eurem Gebet das Wohl der Kirche und den Frieden in der Welt anvertrauen. Der Papst liebt euch und zählt auf euch. Fühlt euch von Gott geliebt!“